1. Leipziger Frühjahrssymposium
Sprache & Kommunikation
Fokus Pragmatik
Erwerb, Beeinträchtigung, Intervention
Samstag, 16. Juni 2012
9:30 Uhr Eröffnung, Grußwort Dekan Prof. Dr. Thomas Hofsäss
9:45 Uhr Jörg Meibauer: Pragmatik: Grundlagen, Entwicklung, Störung
10:45 Uhr Kaffepause
11:15 Uhr Anna Runge: "Kooperation herstellen und aufrechterhalten ?
Die Aneignung von Mitteln der Diskursorganisation
bei Kindern im Alter von 5 bis 8 Jahren"
12:00 Uhr Martin Degner: Pragmatische Fähigkeiten bei Autismus
12:45 Uhr Postersession und Mittagspause
14:00 Uhr Claudia Wirts: Pragmatische Aspekte in der Interaktion
mit Late Talkers
14:30 Uhr S. Sallat & M. Spreer - Pragmatik-Diagnostik
15:00 Uhr Kurze Pause
15:10 Uhr Andrea Dohmen: Rahmenplan zur Therapiekonzeption
bei pragmatisch-kommunikativen Defiziten
15:40 Uhr Bettina Achhammer: Pragmatik-Therapie in der Gruppe
16:10 Uhr Kaffeepause
16:30 Uhr Richard Moore: What Can We Learn about Ourselves through StudyingThe Gestural Communication of Non-Human Great Apes? (Folien liegen in deutscher Sprache vor)
17:15 Uhr Schlussworte
17:30 Uhr Veranstaltungsende
9:45 Uhr Jörg Meibauer:
Pragmatik: Grundlagen, Entwicklung, Störung
11:15 Uhr Anna Runge:
Kooperation herstellen und aufrechterhalten – Die Aneignung von Mitteln der Diskursorganisation bei Kindern im Alter von 5 bis 8 Jahren
12:00 Uhr Martin Degner:
Pragmatische Fähigkeiten bei Autismus
Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die durch Beeinträchtigungen der Interaktion und Kommunikation sowie stereotypes und repetitives Verhalten gekennzeichnet ist.
Autismusspektrumstörungen (Autismus, Asperger-Syndrom und der atypische Autismus) treten mit einer Häufigkeit von 60 auf 10.000 Geburten auf.
Wesentlicher Aspekt der autistischen Kommunikationsstörung sind der beeinträchtigte Gebrauch von Sprache und Gestik zu sinnvollen Kommunikation. Im Vortrag werden zuerst frühe Symptome dieser
Störung der Pragmatik beschrieben und anschließend typische Formen der Sprachverwendung durch erwachsene Menschen mit Autismus dargestellt. Dem folgte eine Erläuterung der zugrunde liegenden
kognitiven Modelle bei Autismus. Es werden dazu aktuelle Ergebnisse der eigenen Forschung zur Entwicklung sozial-kommunikativer Kompetenzen bei Kleinkindern sowie autistischen und
entwicklungsverzögerten Kindern, herangezogen. Abschließend werden geeignete Therapiemöglichkeiten vorgestellt, um Menschen mit Autismus eine sinnvolle Kommunikation zu ermöglichen.
14:00 Uhr Claudia Wirts:
Pragmatische Aspekte in der Interaktion mit Late Talkers
Interaktionen mit Late Talkers stehen durch die geringen sprachlichen Möglichkeiten der Kinder in einem besonderen Kontext. Das Interaktionsverhalten der Eltern muss auf die besonderen
Bedürfnisse ihrer spät sprechenden Kinder abgestimmt werden und verlangt von ihnen andere Anpassungsprozesse als die Interaktion mit gleichaltrigen Kindern mit normalem Spracherwerb (Kiening,
2011). Auch die Kinder entwickeln spezifische Kompensationsstrategien, um ihre Bedürfnisse trotz geringer verbaler Möglichkeiten mitteilen zu können.
Der Vortrag beschäftigt sich mit der Frage, wie gut es Müttern und Late Talkers gelingt, sich aufeinander einzustellen und ob bzw. welche Zusammenhänge mit späteren sprachlichen Kompetenzen
erkennbar werden. Dabei werden Ergebnisse einer laufenden Studie präsentiert, die sich schwerpunktmäßig mit den pragmatischen Aspekten der Interaktion von zweijährigen Late Talkers und ihren
Müttern auseinandersetzt. Zudem wird der Beobachtungsbogen für Eltern-Kind-Interaktion (BFI) (Schelten-Cornish & Wirts, 2008) vorgestellt, mit dessen Hilfe das Interaktionsverhalten von
Eltern und Kindern analysiert und dieses Wissen für die therapeutische Arbeit nutzbar gemacht werden kann.
Literatur:
Kiening, D. (2011). Ausgewählte Aspekte der sprachlichen Mutter-Kind-Interaktion bei 2-jährigen Kindern mit spätem Sprechbeginn, LMU. München
Schelten-Cornish, S. & Wirts, C. (2008). Beobachtungsbogen für vorsprachliche Fähigkeiten und Eltern-Kind-Interaktion (BFI). LOGOS interdisziplinär, 16 (4), 262-270.
15:10 Uhr Andrea Dohmen:
Rahmenplan zur Therapiekonzeption bei pragmatisch-kommunikativen Defiziten Erfolgreiches kommunikatives Handeln ist eine komplexe Leistung,
die nur durch die Integration vielfältiger Fähigkeiten und Informationen wie u.a. pragmatisch-kommunikativer, sozio-kognitiver, sprachstruktureller, sprachlich-pragmatischer und kontextueller
Aspekte möglich wird. Einschränkungen der kommunikativen Kompetenz können in mannigfacher Art und Weise deutlich werden und sind bei einer Bandbreite unterschiedlicher Diagnosen in der
logopädischen/sprachtherapeutischen Praxis zu beobachen (Adams, 2005). Hierbei ist es nicht generell möglich spezifische Diagnosen spezifischen Profilen eingeschränkter kommunikativer Kompetenz
zuzuordnen, da Kinder mit unterschiedlichen Diagnosen nicht selten ähnliche und sich überschneidende Schwierigkeiten zeigen.
Dieser Vortrag präsentiert einen Rahmenplan zur Therapiekonzeption bei pragmatisch-kommunikativen Defiziten, der primär das Erscheinungsbild und nicht die zu Grunde liegende Diagnose der Defizite
fokussiert. Das übergreifende Ziel der Intervention ist die Erweiterung der kommunikativen Kompetenz und somit der Möglichkeiten eines Kindes zur Partizipation am Alltag. Die individuelle
Therapiekonzeption leitet sich jedoch aus dem Profil der Stärken und Schwächen eines Kindes ab und kann einen oder mehrere Entwicklungsbereiche beruüksichtigen, die kommunikative Kompetenz im
Sinne der Anwendung verbaler und nonverbaler Ressourcen in variablen Kontexten ermöglichen.
Ausgehend von typischen Erscheinungsformen pragmatisch-kommunikativer Schwierigkeiten werden fünf Profile kommunikativer Defizite mit unterschiedlicher Kernproblematik unterschieden:
• verzögerte soziokognitive und pragmatisch-kommunikative Faehigkeiten
• sprachsystematische Defizite
• sprachlich-pragmatische Defizite
• sozial-kommunikative Defizite
• persistierende kommunikative Defizite
Diese Klassifikation bildet die Grundlage zur Ableitung unterschiedlicher Therapieschwerpunkte.
15:40 Uhr Bettina Achhammer:
Pragmatik-Therapie in der Gruppe
Die Ergebnisse zahlreicher Studien legen nahe, dass Störungen in den sozial-kommunikativen Fähigkeiten die Entwicklung von Kindern nachhaltig beeinträchtigen können. Diese Einschränkungen führen
nicht nur zu sprachlichen Auffälligkeiten – wie etwa Schwierigkeiten beim Erzählverhalten –, sondern ziehen meist eine Vielzahl weiterer Beeinträchtigungen in psychosozialer Hinsicht nach sich.
So können beispielsweise Kinder mit pragmatischen Auffälligkeiten grundlegende Entwicklungsaufgaben, wie die Knüpfung von Sozialkontakten, oft nicht altersadäquat meistern.
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, wie gering jenes Themenfeld bislang beforscht wurde und wie wenige Therapieansätze zur Förderung sozial-kommunikativer Fähigkeiten bei Kindern
existieren. Ausgehend von vom aktuellen Forschungsstand wurde deshalb ein Therapiekonzept entwickelt, das auf die Besonderheiten dieses Störungsbildes zugeschnitten ist.
In mehrfacher Hinsicht zeigt sich zur Umsetzung eines derartigen Therapiekonzeptes die Adaption von Methoden des Improvisationstheaters als hilfreich.
Das Improvisationstheater ist eine Form des Theaters, in der Kreativität und der spontane Umgang mit Vorgaben die Szenen bestimmen. Beim gemeinsamen Improvisieren rücken Kommunikation und
Interaktion in den Vordergrund. Die Zusammenarbeit der Akteure ist dabei entscheidend. Geschichten und Szenen werden gemeinsam entwickelt, indem Ideen des anderen aufgenommen und weiterentwickelt
werden. Hier bestehen große Übereinstimmungen zur Kommunikation im Alltag, die stets in der Interaktion zweier oder mehrerer Kommunikationspartner stattfindet. Dabei spielen Eigen- und
Fremdwahrnehmung sowie Körpersprache eine große Rolle. Jene Fähigkeiten werden mit Übungen aus dem Improvisationstheater, in einer dem kindlichen Lernen nahe liegenden Form – dem Rollenspiel –,
trainiert. Ein zentraler Aspekt ist hier die Interaktion in der Gruppe – denn ohne Zusammenarbeit klappt das Zusammenspiel nicht. Der flexible Rahmen entspricht der Alltagswirklichkeit, die oft
unvorhersehbar ist und Improvisation erfordert.
Dieses Training wurde in einer 3. Klasse eines sonderpädagogischen Förderzentrums durchgeführt und wird derzeit im Rahmen einer Doktorarbeit evaluiert.
Der Vortrag stellt dieses Therapiekonzept vor und zeigt Beispiele für die praktische Anwendung.